Samstag, 21. Juli 2012
Ron Perkelino berichtet diese Woche wie gewohnt mit spitzer Zunge täglich vom Mégavalanche in Alpe d'Huez. Das Mégavalanche ist ein Massenstart-Rennen vom 3.300 m hohen Pic Blanc bis ins Tal in Allemont auf 720 m. Dabei werden 30 km zurückgelegt.
Nachlesen:
Teil I,
Teil II,
Teil III,
Teil IV
Autor: Ron Perkelino
Gestern Abend ist der Regen gekommen und auch wieder nicht. Zwischen 2500 und 3000 Meter Seehöhe hängt jedenfalls eine fette Wolke. Oben: Blau. Unten alles, auch rutschig und staubig, vor allem aber windig und gefühlte 15 Grad kälter als die letzten Tage.
Über den Wolken in Alpe de'Huez. [
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Kurz hab ich mir in der Früh das Aufstehen überlegt, aber dank des famosen Trödelns nach meinem Patschen in er der Quali gestern ist mir heute ein Massenstart-Rennen erspart geblieben und ich durfte nach den Damen und der zweiten Leistungsklasse mit den anderen Wapplern im Einzelstart runterbrettern.
Der Schnee ist nicht mehr fahrbar. [
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Der Schnee war so spät am Vormittag und mit ein paar hundert frischen Spuren natürlich nimmer fahrbar, aber für mich ging's ja eh nur mehr um den großen osteuropäischen Balkonschmuckpreis, maximal. Eine Stunde und 6 Minuten hab ich laut GoPro-Video gebraucht, und ich hab jede einzelne Sekunde davon genossen. Ein bissl war das wie Grantourismo auf der Playstation, wo du mit einem Honda NSX wehrlose Yaris und Hyundais verprügelst. Ich müsste nachzählen, aber eine dreistellige Zahl von Überholmanövern war das allemal heute Vormittag. Stellt euch die Lieblingssstelle eures Haustrails vor, streckt sie auf 25 Kilometer, und hinter jedem Eck sagt euch einer, was ihr für ein geiler Hund seid und schaut euch bewundernd nach. (Man muss aber schon sagen: Rennfahrer war da heute kein einziger dabei, höchstens Radfahrer mit Startnummer).
Das vergisst man, wenn man immer nur am (relativ) vorderen Ende des Feldes rumgurkt: Wie das so ist, wenn man zum ersten Mal auf Abenteuerurlaub nach Alpe d'Huez kommt. Der englische Vater mit seinem Sohn in der Schlange vor mir, beide mit diesen abenteuerlichen aber doch irgendwie geilen Mongoose. Die spanische Jungfrau (männlich) die seit dem Aussteigen aus der Gondel das lähmende Geschwätz seines deutschen Anstellnachbarn ertragen muss: Gut gemeint, aber: Fresse halten! (Zum Schluss lässt er den armen Mann noch ein halbes bar Luftdruck ablassen, dabei hatte der eh schon nur mit 2,3 bar losfahren wollen – wird ein langer Weg für den armen Spanier geworden sein. Mein Lieblingstipp so eines Gletscher-Experten geht übrigens so: Auf den Hinterreifen setzen, Hinterbremse ziehen, runterrutschen. Alter!)
Für viele ist das heute ein Kampf, von dem sie später so erzählen werden wie einst der Opa aus Stalingrad. Die Wahrheit ist: Bei 2000 Startern sind die Niveauunterschiede schon zwangsläufig riesig. Und so leicht es wäre, das Vollwapplertum am hinteren Ende des Feldes zu bespötteln, so leicht wäre es auch, den Speed der Echten mit einem "naja, sind halt Profis" abzutun.
Kleines Rechenbeispiel: Kris ist heute als fahrtechnisch weit überdurchschnittlicher, ambitionierter, trainierter und garantiert furchtloser Amateur 1:17 gefahren. Ziehen wir 5 Minuten wegen schlechten Schnees auf den ersten 12 Gletscherminuten ab: 1:12. Weitere 2 Minuten kalkulieren wir für den einen oder anderen Ausrutscher, Linienfehler oder Steher ein: 1:10. Weil er durch seine Startposition keine freie Bahn hatte und das Tempo fremder Menschen gehen musste, subtrahieren wir großzügig weitere 10 Minuten: Somit kommen wir auf eine Idealzeit von einer Stunde für ihn.
Anne Caroline Chausson hat heute wieder einmal das Damenrennen gewonnen (in dem Birgit Braumann mit einem Verirrer am Gletscher in 1:07 übrigens 12. geworden ist), und zwar in 54 Minuten, 4 Minuten vor Tracy Moseley.
Jetzt bitte alle andächtig schweigen.
Die schnellsten Männer werden morgen die 50-Minuten-Grenze knacken.
Favoriten? René Wildhaber sagt, dass Vouilloz gewinnen wird. Der leugnet. Der Wildhaber sagt, dass der Vouilloz ein elektronisches Fahrwerk hat, das er auch gern hätte. (Das Carbon-Lapierre des Meisters hatte übrigen schon vor zwei Jahren unter 12 Kilo, heuer kommt er außerdem mit fescher 11-fach-SRAM daher und fährt hinten wie immer einen Maxxis Larsen TT in Supertacky).
Ich leg mich jetzt einmal fest und sag: Absalon. Das schnellere, technisch nicht so schwierige letzte Drittel sollte ihm liegen, außerdem helfen die langen Haxen im tiefen Schnee. Dark Horse: Dan the Man Atherton. Eher keine Rolle spielen werden Sam Blenkinsop und all die anderen Downhill-Profis.
Morgen wissen wir mehr.
Weiterlesen:
Teil VI