Samstag, 13. Oktober 2012
Wer’s noch nicht gesehen hat: Auf
www.redbullrampage.com gibt’s die essenziellen Szenen der heurigen Red Bull Rampage kompiliert, mit ein bissl Glück sollte man auf Servus TV oder
www.redbull.com/bike mehr erwischen.
Selbst wenn man nicht zum ersten Mal in Virgin ist: Arg ist das schon. Gab es bislang drei mögliche Starts am Gipfelgrat, wurde heuer ein gemeinsamer Startpunkt ganz oben am Gipfel bestimmt. Selbst zu Fuß gibt es hier keinen einfachen Weg runter. Die ersten 100, 200 Meter schauen eher aus wie ein Klettersteig. Wenn selbst die Helden sagen, dass sie sich anscheißen, dann tun sie das auch.
Van the Man. Mehr Souveränität geht nicht. [
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Klar war, dass die Judges heuer mehr auf das Big-Mountain-Element achten würden und bloße Jackass-Stunts wie im Vorjahr (ich will ja keine Namen nennen) sicher nicht für einen Sieg reichen würden.
Favoriten also Semenuk und Bearclaw, weil sie sich eine mehr oder weniger direkte Line vom Gipfel geschaufelt haben. Einmal habe ich versucht, beide Lines zu Fuß raufzugehen (freilich unter Umgehung aller Drops), aber das war chancenlos. Ich weiß ja nicht, ob es das Fernsehen schafft, die Dimensionen auch nur im Ansatz rüberzubringen, aber das, was die Jungs da fahren, ist wirklich und ganz ehrlich arg. Ich behaupte einmal ganz frech: Im gesamten deutschen Sprachraum gibt es mit Glück zwei Handvoll Fahrer, die überhaupt von oben losfahren können und keinen einzigen, der eine Semenuk- oder Bearclaw-Line fahren kann. (Dicken Respekt an dieser Stelle an den Schweizer Ramon Hunziker, der es – zumindest für mich überraschend – geschafft hat, sich nicht zu blamieren, ganz im Gegenteil. Das ist ein Guter.)
Der arge Tag ist der Freitag. Da müssen sich 25 Hoffnungsvolle um 10, vielleicht 12 Plätze im Finale matchen, je nachdem, wie viele der 15 fix Qualifizierten den Sonntag wegen knockout präcox nicht erleben. Wie hart es am Freitag zugeht, kann man daran ermessen, dass sich ein Martin Söderström, immerhin Zweiter auf der FMB World Tour, gerade einmal als Vorletzter überhaupt qualifiziert hat (und er hat dafür beide Läufe gebraucht).
Martin Söderström beim Üben. Fährt Specialized Status, nicht Demo. [
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Der Freitag ist der Tag, an dem die Rahmen und die Knochen brechen (beides live gehört und gesehen, ich erspare euch die Details). Markanteste Änderung gegenüber 2010: 2012 kugelt man nicht mehr, dafür geben die Sprunggelenke w.o. Die Rider sind so gut, dass sie selbst völlig vergoaglte Landungen irgendwie stehen, bloß dass es die Bänder nicht ausgehalten haben. Die Achillessehne ist das neue Schlüsselbein.
Hats auch nicht immer leicht: Anthony Messere. [
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Für den Laien auch nicht unbedingt nachvollziehbar ist der Zug zum Luftdämpfer, auf den mittlerweile mehr als das halbe Feld vertraut. Sie nennen auf Nachfrage „Gewicht“ als Begründung, aber ich denk mir eher, dass es halt leichter ist, einen Rock Shox Monarch so aufzublasen, dass er echt nur mehr im Notfall was tut als eine – sagen wir – 1200er-Feder zu organisieren. Ansprechverhalten bei kleinen Schlägen ist bei der Red Bull Rampage ja ohnehin nicht so das Thema. Ich bin kurz am YT Tues vom Andreu Lacondeguy gesessen, der katalanische Laufmeter soll meinetwegen 60 Kilo wiegen, und das auch nur wenn ihm lang keine Frau mehr über den Weg gelaufen ist. Nicht, dass ich seine Federelemente um mehr als 15% hätte komprimieren können.
Was bricht: Rahmen, Laufräder, Kurbeln, Lenker. Was ich beim Brechen zumindest nicht beobachtet habe: Die sich langsam einschleichenden Carbon-Rahmen (und doch, die sind durchaus durch die Luft und weit in die Schluchten geflogen). Eventuell muss ich meine sorgfältig gepflegten Vorurteile doch überdenken: Carbon won’t take you home hab ich immer gesagt.
Ein bissl Schwund is immer: Sam Pilgrims Irrtum mit der Kindergabel. [
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Sportlich: Wer den Gipfelgrat sicherheitsbewusst gefahren ist, hat von den Judges die Arschkarte gekriegt. Racer hatten hier definitiv Vorteile. Schaut euch den Siegerlauf vom Kurt Sorge an (und auch seinen ersten, der etwas weniger Punkte gekriegt hat, aber trotzdem der bestbewertete am Vormittag war): So soll das sein. Rund, mutig, aus einem Guss. Backflips nicht als Selbstzweck, sondern wenns grad reinpasst. Oder Antoine Bizet, der bei seinem ersten Start bei der Red Bull Rampage überhaupt nicht den Eindruck vermittelt hat, als ob ihn die Chose sonderlich beeindrucken würde. Platz 3 von Logan Binggeli (René Wildhaber euphorisch: „Ein Schweizer!“) ist hauptsächlich seinem Heimvorteil geschuldet, kommt er doch aus dem Nachbarnest St. George. Nein, stimmt nicht: Der kann schon wirklich fahren auch und hat sich im Vergleich zu 2010 um mindestens eine Klasse gesteigert.
Mit großer Sorge: Der spätere Sieger shapt seine Line. [
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So weit, so unumstritten. Manche Performances sind heuer aber ganz deutlich unterbewertet worden, zum Beispiel jene meines alten Freundes aus Saalbacher Gangbattle-Duellen Geoff „Gully“ Gulevich: Gully ist die Einfahrt zum Icon Sender gedroppt. Mind you: Selbst der ach so tolle Cam Zink hat sich bei seinem Sieger-Run im letzten Jahr hier reingetastet wie der Pfarrer ins Puff. (Überhaupt, der Zink: Im Vorfeld groß maulen, dass er über den Canyon Gap einen Backflip machen wird, dann beim Üben abkacken und das ganze Wochenende nur am Massagetisch sichtbar sein: So geht das nicht.)
Big Balls: Gully Gulevich. [
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Auch unterbewertet: Beide McCauls, wobei mir TMC deutlich besser gefallen hat als sein Bruder. Ein Canyon Gap allein rettet dann doch nicht alles. Thomas Vanderham hat mir in einer ruhigen Stunde die Psychologie hinter der Red Bull Rampage erklärt: Mach das, womit keiner rechnet. Er, der der erste war, der über den Canyon Gap einen No-Hander gesprungen ist, hat sich heuer eine völlig neue Line gebaut, auf der anderen Seite des Berges, eine, die er noch nie gefahren ist. Das unterscheidet kluge Typen wie ihn von One-Trick-Ponys wie… nein, keine Namen an dieser Stelle.
Einsam am Canyon Gap: Cam McCaul. [
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Brett Rheeder hat in der Competition deutlich schlechter ausgesehen als im Training. Will White gurkt noch immer auf seinem Karpiel mit gefühltem Lenkwinkel von 71° rum. Olta he! Nico Vink ist auch so einer, der alles kann. Norbs Norbraten traue ich für 2013 einen fahrtechnischen Sprung wie jenen von Logan Binggeli heuer zu. Und die guten Europäer werden auch nicht durch die Bank abkacken: Andreu Lacondeguy wird 2013 den Sonntag sicher nicht wieder verpennen, Martin Söderström nicht wieder beim letzten 360er mit der Hose am Sattel hängen bleiben und Gee Atherton auf Schmerzmittel nicht wieder in eine Klippe reinspringen.
Bringt einen dritten Platz heim: Local Boy Logan Binggeli. [
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2013: Korrekt. Die nächste Auflage der Red Bull Rampage gibt es ausnahmsweise schon nächstes Jahr, und Anschauen ist quasi erste Bikerpflicht. Freundliches Mail an die Mädels von Red Bull USA, passtscho. Das kleine Grüppchen Österreicher, das heuer Urlaub in Utah gemacht hat, kann das jedenfalls nur voll empfehlen.