Sonntag, 3. April 2011
Ron und sein Manta führen das neue Specialized Demo aus und finden sich neu.
Immer, wenn ich in meinen Manta steige, drücke ich die letzte Kassette in mein Blaupunkt-Tonband-Radio, die ich damals von CD retour auf analog zu überspielen geschafft habe. Der Track heißt „Good to be on the Road back Home Again“ und ist von Cornershop, das waren ungefähr die Arcade Fire jener Zeit, als man noch Strommusik machen durfte, ohne sich in Retro-Frickeleien und Gitarrenpflicht flüchten zu müssen. Damals im Wald hätte ich euch das erklären müssen. Hier im Web habt ihr Youtube und seid alt und reif genug, um das selber nachzuschauen.
Reiße ich dann das Lenkrad meines Manta (keine Servolenkung, daher das Reißen) im beginnenden Frühling gen Süden, zeigt die lange Motorhaube meines 90-PS-Vierzylinder-Geschwürs automatisch gen Schöckl. So selbständig ist mein Manta nach mittlerweile drei Jahrzehnten, dass er da den Weg findet. (So deppert kann andererseits nicht einmal der blondeste Manta der Welt sein: Wohin fährst du sonst im März oder April??? Kein Bikepark irgendwo offen, nur der Schöckl steht monolithisch in der Ebene zwischen Pohorje und Wechsel, da findet doch jeder Manta von Welt hin.)
Mein treuer Manta hat schon Bikes aller Art transportieren müssen, doch am wohlsten fühlt er sich mit Specialized Demos. Das weiß ich, da hat er einfach am meisten Routine. Wir zwei haben anno 2003 mit dem Demoausführen begonnen, dazwischen lag eine kurze Phase der Entfremdung, die ich mit Intense überbrückt habe; inzwischen sind wir längst wieder zurück bei der feinen Ware, seit ungefähr dreieinhalb Jahren, ich entschuldige mich höflichst für die Unterbrechung. Manta, Demo und Perkelino, diese infernalische Dreifaltigkeit klingt schon am Parkplatz schnell.
Als sich der Manta also neulich am Schöckl-Parkplatz einschliff, war das ein Heimspiel für die kultige Trias der Geschwindigkeit. Interessiert schnüffelte der Manta an alten Ölflecken, das neue Demo beschnüffelte seine Artgenossen, ich schnüffelte kurz die Sankt Radegunder Luft: Schwer, kalt, mit einer deutlichen Note an Schweinemist; normal für die Zeit. Die Liftler: Cool wie seit 1993, dem Jahr meiner Schöckl-Entjungferung. Danke für alles, danke fürs Dasein, danke fürs Nichtändern, danke für die Ahnung von Ewigkeit, beim nächsten Mal kriegt ihr ein Sechsertragerl Murauer. Der Berg selber: Ebenfalls da. Allfälliger Schnee: Bloß eine traurige Erinnerung an dunkle Zeiten, diese weiße Scheiße.
Ähnlich gut wie mit Manta und Schöckl verstehe ich mich mit der Gattung der Demos. Mit dem ersten, einer üppigen Schönheit in Silber und neun Zoll Federweg, war es Liebe auf den ersten Blick; es war das erste Downhill-Bike, das das tat, was ich wollte statt umgekehrt. Mit den Jahren und Modellen wuchs die Liebe, manche haben mich auch gar
garstig behandelt.
Auch wenn ich manchmal fremdgehen musste: Am besten war ich stets auf einem Specialized Demo, dachte ich während des Ausladens bei mir, und der Manta gluckerte glücklich mit seinem Differenzialöl. Das neue Demo schien mir ziemlich farbenfroh, außerdem vorn tief und hinten anders, so schlank und aufgeräumt; war das noch das alte Baugerüst, das ich so lieben gelernt hatte? Den originalen Lenker hatte ich schon kurz nach dem Schlüpfen gegen den guten Spank 777 ausgetauscht. Denn so wie Sturm Graz nicht wirklich Fußball spielen kann, kann Specialized keine Downhill-Lenker bauen, sad but true. Beide bemühen sich zwar jedes Jahr aufs Neue, doch hie wie dort schlafen dir im Frühling die Hände ein, und das sage ich als Sturm- und Specialized-Fan.
Egal: Ein Lenker, was ist das schon? Einen Lenker tausche ich schneller als der Katholenmeister seinen Lieblingsministranten.
Beim Einrollen mit dem Rotweißen kriegte ich einen leisen Verdacht. Auf der dritten Fahrt begann ich, ernstlich anzudrücken.
Kurz vor der Asphalt-Querung nahm ich meinen weißen Arai ab und huldigte dem heiligen Demo. So was war mir in fast zwei Jahrzehnten Downhill-Fahren noch nie passiert. Das, was ich sonst nur aus freecaster.tv kannte, machte ich plötzlich selber, und ich konnte mir zuschauen dabei. Hier liftoff, da Landung, kein Problem. Kurven absichtlich zu schnell anstechen, auf den Moment des nötigen Abwürgens warten, aber er kommt nicht: Ein so ergriffenes Seufzen kannte ich sonst nur vom Manta, wenn ich ihm einen Liter Mobil-1 spendiert hatte. Still urinierte ich gen Norden, der Höhe würdigend, der edlen Gravitas, die das alles möglich machte: Scheißmichan. (Hoffentlich sieht mich keiner dabei.)
Große Ergiffenheit, großes Begreifen.
Wir sind an einem Endpunkt angelangt. Das hier ist das Bike, das all die Wünsche, die wir laut ausgesprochen haben oder auch nicht, einfach umgesetzt hat. Völlig ohne Theater, optisch leicht mit den Vorgängern zu verwechseln, dabei eine andere Stratosphäre: Waren Demos bislang einfach schweinegute Mountainbikes, ist das hier die IRL-Umsetzung erträumter Linien, bloß dass du erstmals selber mitmachen darfst. Ich bin noch kein Bike gefahren, bei dem du die Druckstufe vulgo Compression derart zuknallen konntest, ohne hilflos von Wellenkamm zu Wellenkamm gespuckt zu werden. Hier denkst du dir eine Zwischenlandung im Wurzelteppich und triffst sie auch, nur um gleich darauf wieder abzuheben. Noch grüble ich, wie viel davon dem Vierer-Fox zuzuschreiben ist und wie viel dem Bike an sich.
Für einen Wappler wie mich ist das Elferdemofahren eine relativ arge Erfahrung. Ein bissl so, als würdest du draufkommen, dass du tatsächlich ein Barbapapa bist, und all das Wünschen nicht für den Hias war.
Nach grob zehn Runs (so genau weiß man das am Schöckl ja nie) vertraute ich das Demo wieder meinem Manta an: Gib acht, sagte ich zu ihm, das ist die Krone aller Demos, die du bislang transportiert hast. Genau wie du die Krone aller Mantas bist, fügte ich rasch hinzu. (Kurz quietschte er mit seinem Gebläse, aber darauf soll man nicht zuviel geben).
„Wie sollen wir das den Menschen nur erklären,“ brummelte ich am Heimweg nachdenklich in das Vierzylinderkreischen und Scheibenpfeifen des Manta bei Tempo 160, „mir glaubt ja ohnehin keiner, dass das 2011er-Demo nichts mehr mit dem zu tun hat, was man bislang als Downhillbike kannte. Zu deutlich leuchtet das Brandmal im Form eines „S“ von meiner Stirn!“
Darauf ganz cool der Manta, ich hab es ganz deutlich gehört: „Bei mir steht vorn ja auch Opel drauf!“ Bei den modernen Sachen kennt er sich nix aus, mein Manta. Aber sonst ist er ein ganz ein lieber.
Kommentare
Aber ich muss schon sagen: Von der Rahmenform ist es das erste Demo, dass mir so richtig gefällt. Ich habe noch keins live gesehen. Nach den Fotos beurteilt, ist die Farbgestaltung nicht so meins. Spezialized ist mit dem neuem Demo aber sicher ein großer Wurf gelungen. Die Verpflichtung von Hill hat sich schon mehr als ausgezahlt!
Tipp an die Demo-Besitzer: Im Bikepark immer doppelt checken ob man auch wirklich SEIN Demo unterm Arsch hat
Zweite: "Zugstufe vulgo Compression"?
Aber nachdem ich das Video gesehen habe, weiß ich, warum es ihm so wichtig ist die Zugstufe zuzudrehen...
Edit: Sollte "Druckstufe vulgo Compression" heißen. Hab's ausgebessert. Also doch nix mit Zugstufe.
So ganz bin ich hinter das Konzept des neuen Demos nicht gestiegen. Gerade wenn man so wie Ron nicht ganz klein gewachsen ist, müssen doch die kurzen Kettenstreben ihre Wirkung zeigen. Vor allem zusammen mit dem flachen Lenkwinkel.
Durch das Horst-Link schauen die Kettenstreben kürzer aus als sie sind. Im Vergleich zu Trek, Commençal etc. "fehlen" da gerade 2 cm. Und mit dem neuen Design des Sitzrohres versuchen sie eh, Gewicht nach vor zu schaufeln (Mit dem kleinen Nebeneffekt, dass sich der breite Teil des Sattels jetzt genau zwischen den Oberschenkeln befindet wie bei anderen aktuellen Bikes auch).