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Mittwoch, 18. Mai 2011

Ron Perkelino interviewt Michi Gölles

Der Gö veranstaltet unter den Namen „the Gap“ seit 2004 Fahrtechnikkurse für Mountainbiker. Höchste Zeit für ein paar dumme Fragen.


Keine Angst, der beisst nicht: Michi Gölles, DH-Staatsmeister und Fahrtechnik-Coach.
Ron: Warum um Himmels willen soll der Mensch zwei Mal in seinem Leben Rad fahren lernen?

Gö: Ich hätte wissen können, dass du mir keine normalen Fragen stellen wirst.

Ron: Stimmt, hättest du können.

Gö: Manche hätten vielleicht nicht nur Rad fahren, sondern auch gehen lernen sollen...

Ron: Danke, sehr freundlich.

Gö: Wir alle haben öfter als einmal Rad fahren gelernt. Als ich mit dem Rennfahren aufgehört habe, habe ich mit dem Dirtjumpen begonnen. Am Anfang hatte ich einen Heidenrespekt vor den steilen Absprüngen. Jetzt kann ich’s und die Erfahrung aus dem Dirtjumpen hilft mir bei vielem, was ich am Downhillbike mache, weil ich viel mehr eins mit meinem Rad bin. Viele Jugendliche heute fangen so an, während wir noch mit Mountainbikes zum Downhillen begonnen haben, die alles andere als Downhillbikes waren...

Ron: ... Mitte der Neunziger gabs halt noch nix Besseres.

Gö: Viele Jugendliche, mit denen ich arbeite, haben tatsächlich den Vorteil eines spielerischen Zugangs: Sie gehen Dirten, Freeriden, Streeten, Downhillfahren, es fällt ihnen leicht. Drum geht auch was weiter. Du hast Recht: Ich musste das alles lernen, hatte dabei aber zwei Startvorteile: Erstens hatte ich immer schon einen relativ sauberen Fahrstil, zweitens hat mich interessiert, was sich im Downhill wie auswirkt. Theorie hat mich immer interessiert, und durch die Beschäftigung mit der Materie fällt mir heute das Vermitteln auch leicht.

Ron: Wie groß sind deine Gruppen?

Gö: Beim Radfahren liegt eine sinnvolle Gruppengröße deutlich unter der bei Schifahrern. Bei uns kommen je nach gebuchtem Programm vier bis maximal sechs Fahrer auf einen Coach. Größer darf die Gruppe auf keinen Fall sein, wenn du was weiter bringen willst. Ich will ja, dass die Leute mit einem fetten Grinser im Gesicht heim gehen.

Ron: Was sind die gängigsten Fehler?

Gö: Blicktechnik. Viele Leute schauen während der Fahrt irgendwo hin. Ein Klassiker ist, dass sie den Blick zu knapp am Vorderrad kleben haben, sich dadurch viel zu schnell vorkommen und verkrampfen.

Ron: Dann das große Mysterium der beiden Hebel am Lenker...

Gö: Aufs Bremsen gehen wir eigentlich fast gar nicht ein. Die Basics erkläre ich ihnen natürlich schon, dass natürlich die Vorderbremse die wichtigste Bremse ist und selbst im extrem Steilen echt was kann – solang der Untergrund nicht auf eine Seite hängt zumindest.

Ron: Wie funktioniert die Qualitätskontrolle?

Gö: Bei unseren Individual-Coachings verwenden wir ab der 4-Stunden-Einheit Helmkameras. Das Material ist die Basis für die Analyse. Vielen hilft es sehr, wenn sie sich selber „zuschauen“ können. Ist effizienter als Worte. Wir haben eine Kamera mit Monitor, da kann man gewisse Fehler schon in der Gondel am Weg zum nächsten Run abstellen. Das betrifft sowohl Linienwahl als auch Position am Bike. Außerdem freuen sich die meisten über Videos mit ihnen.

Ron: Ich wette, du musst dir oft schlimme Dinge anschauen.

Gö: Was ist schlimm? Natürlich kommt es vor, dass einmal jemand in der Kurve das falsche Pedal am Boden hat...

Ron: ... dann braucht er eh keine Videoanalyse, sondern ein Pflaster.

Gö: Okay, das war jetzt ein drastisches Beispiel. Es gibt bei den meisten etwas zu verbessern, sei es in der Linienwahl oder am Bike. Dann kann ich sagen, stell die Ellbogen aus, oder gib die Schulter nach vorn, und der Effekt ist unmittelbar spürbar. Ich musste meine Wahrnehmung neu justieren: Kurz nachdem ich Staatsmeister geworden war, war ich mit meiner Freundin fahren, und musste erkennen, dass ich das, was für sie steil war, völlig normal gefunden habe. Wie kriege ich sie dazu, hier runter zu fahren? Das war die Initialzündung, und über die Jahre hat sich ein gutes System von Tipps herausgebildet. Jetzt wissen wir, was funktioniert und was kontraproduktiv ist, weil die Leute beginnen, im Kopf zu verkrampfen.

Ron: Ab welchem Alter geht’s bei dir los?

Gö: Wir haben auch schon 6 – bis 7jährige gehabt. Bei den Summer Camps geht’s bei 10 Jahren los. Aber nicht deswegen, weil Jüngere den Strecken nicht gewachsen wären: Da geht’s eher im die soziale Komponente im Camp. Die Kinder müssen sich auch ohne Eltern im Camp wohlfühlen. Die ältesten Teilnehmer waren gut 60. Was viele nicht wissen: Ein gar nicht so kleiner Teil unserer Kunden setzt sich aus Touren- und Hobby-Bikern zusammen, denen wir in den Bikeparks die Möglichkeit geben, sich schnell und ohne konditionellen Overkill fahrtechnisch zu verbessern.

Schaut sich seine Pappenheimer von hinten an: Gö, Kamerakind, Trainer, Kona-Quäler. [Galerie]
Ron: Siehst du Analogien zwischen Bike- und Schilehrer?

Gö: Durchaus, auch wenn sich die Ausbildung beim Bike mehr auf Touren-Guiding als auf das Vermitteln von Technik-Skills, mit denen die Leute etwas anfangen können, konzentriert. Das ist schon traurig. Ich will aber nicht über den Verband schimpfen, weil ich grundsätzlich schon das Gefühl habe, dass da inzwischen in die richtige Richtung gearbeitet wird. Die Chemie im Nationalteam ist richtig gut, und das kennen wir ja auch ganz anders.

Ron: Was machst du im Renntraining anders als in normalen Coachings?

Gö: Als Rennfahrer hast du dir über die Jahre einfach einen Wissensschatz angeeignet, von dem Einsteiger extrem profitieren können. Natürlich schauen wir auf Linienwahl, genauso wichtig ist aber die Selbst-Organisation am Rennen: Was sollen sie mitnehmen, wie teilen sie sich das Wochenende ein, wie stellen sie sich mental auf das Rennen ein? Gerade bei Rennfahrern in spe musst du sehr sensibel sein: Die einen musst du in den Hintern treten, die anderen eher einbremsen, weil sie zu viel wollen. Mit der Zeit entwickelst du ein ganz gutes Gefühl dafür, was bei wem passt.

Ron: Gibt es einen Absolventen, auf den du besonders stolz bist?

Gö: Der Mani Gruber ist mit seinen 18 Jahren heute einer der technisch saubersten Fahrer, die ich kenne. Koordinativ ist er ohnehin ein Wahnsinn, aber er hatte schon immer die Fähigkeit, Information aufzusaugen wie ein Schwamm: Zum ersten Mal habe ich ihn als 12jährigen in einem Summercamp gehabt, und er hat alles, was man ihm vorgesetzt hat, schnell und richtig umgesetzt. Ein entscheidender Vorteil: Er musste sich keine Fehler abtrainieren, sondern hat von Anfang an alles technisch sauber gelernt.

Ron: Schlechte Karten für alte Deppen wie mich.

Gö: Fehler, die sich über die Jahre eingeschliffen haben, wieder loszuwerden gehört tatsächlich zu unseren schwierigsten Übungen. Aber es gibt Hoffnung für alle – sogar für dich.

Ron: Danke. Als Ausgleich will ich jetzt aber hören, dass du selber auch langsamer geworden bist.

Gö: Garantiert. Aber hauptsächlich deshalb, weil ich heute keinen ganzen Rennlauf mehr durchdrücken würde. Am ersten Kilometer wär ich wahrscheinlich noch ganz gut dabei, aber dann würde der Spaß konditionell ganz bald aufhören. Im Gegensatz bin ich durchs Dirten heute ein besserer Springer als in meiner aktiven Zeit. Und in der Selbstanalyse fällt auf, dass ich nach einem Tag als Kamerafahrer mit einer langsamen Gruppe ein, zwei Läufe allein brauche, um wieder mein gewohntes Tempo zu fahren. Wenn du mit Langsameren fährst, wirst du auch selber langsamer, dein Timing stellt sich auf die niedrigere Geschwindigkeit ein, du verschläfst Ecken regelrecht.

Ron: Jetzt bist du auch Sportwissenschafter. Was empfiehlt der als Kombination zum Downhill?

Gö: In Österreich im Winter klassisch Ski, Snowboard, Snowscoot. Alles, was den Rumpf stärkst, ist gut, denn der wird gern unterschätzt: Der ist wichtig, damit du erstens nicht in die Poazn (steirisch für Gebüsch, Anmerkung des Dolmetsch) fliegst und wenn du schon in die Poazn fliegst, dann auch wieder aufstehst.

Ron: Ich bin ja ein großer Freund des Eishockey.

Gö: Das habe ich in meiner aktiven Zeit auch gemacht: Ein Hammer! Erstens ist es konditionell wahnsinnig fordernd, der ganze Körper hat was zu tun, dazu kommt das koordinative Element. Und weil das alles im Spiel passiert, kriegst du nicht mit, wie hart du arbeitest. Aber aufpassen: Gerade wenn du viel intensiv trainierst und die Grundlagenausdauer dabei vernachlässigst, wirst du im Sommer keinen Spaß mehr am Bike haben, zumindest nicht als Rennfahrer. Das ist das Schöne und gleichzeitig Schwierige am Downhill: Der Sport ist so komplex und vielschichtig, dass es gar nicht leicht ist, einen guten Trainingsplan zu basteln.

Ron: Hat dir je ein Kursteilnehmer gesagt: Auf den Blödsinn wär ich selber auch gekommen?

Gö: In all den Jahren kein einziger, aber vielleicht sagen sie’s uns bloß nicht. Im Ernst: Vor allem bei den Weekend-Coachings haben wir mittlerweile eine ganze Reihe von Stammkunden. Letztes Jahr Semmering, heuer Leogang, dann vielleicht Schladming, manche kommen jedes Jahr wieder, weil’s ihnen bei uns anscheinend taugt.

Ron: Vorbildlich. Und weil du so brav warst, darfst du noch jemanden grüßen.

Gö: Ich grüße meine liebe Freundin Patrizia, ohne die ich das alles nicht machen würde.

Ron: Ergreifend, danke schön.


Mehr Infos über die Fahrtechniktrainings und Coachings: www.the-gap.at

Anmerkung: Von Freitag bis Sonntag ist Gö in Leogang und Saalbach. Für Schnellentschlossene sind noch Plätze für Coachings zu haben (Krankheitsbedingt sind 2 Kurse ausgefallen).

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