Montag, 20. September 2010
Hundertstel-Krimi bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften im Mountainbike Downhill beim Nordkette-Downhill in Innsbruck zwischen Markus Pekoll und Boris Tetzlaff.
Zu Beginn des Warm-Up-Training am Renntag hat nächtlicher Regen wieder für ähnlich schwierige Verhältnisse wie bereits am Vortag beim Training und Seeding Run gesorgt. Im Laufe des Vormittags zeigt sich die Sonne allerdings immer häufiger, sodass die Strecke gegen Ende des Trainings schon trockener wurde.
Über Mittag strömten bei traumhaften Wetter immer mehr Besucher die Strecke entlang, um sich die besten Downhiller Österreichs anzusehen. Der Nordkette Downhill wird seit 2007 auf dem unteren insgesamt flacheren Teil des Nordkette Singletrails ausgetragen. Für die Besucher bietet er einige spektakuläre Passagen. Im oberen Bereich sorgt ein 4 Meter hohes Roadgap für viel "Airtime" und Aktion. Beliebt bei den Zuschauern ist auch die steile Radstudio-Kurve. Im Unteren Teil sorgen einige Sprünge, wie z.B. die Step-Up-Step-Down-Kombination am "House 2.0" und der Zeilsprung für Stimmung bei den Zuschauern.
Aus Sicht der Biker ist die erste Schlüsselstelle der Wald vor dem Roadgap. Dieser ist zwar nicht steil, aber die dichten Bäume sorgen dafür, dass die Wurzeln und Steine nach Regen lange feucht bleiben. Die weite Streckenführung lässt verschiedenste Linienvarianten zu.
Das Roadgap ist bei entsprechender Sprung-Erfahrung tatsächlich nicht schwer. Außerdem kann es umfahren werden. Spannend wird es für die Biker spätestens wieder bei der Radstudio Kurve. Für die meisten heißt es: möglichst langsam rein, die steile Abfahrt vor der Kurve kontrolliert nehmen und dann beherzt nach links ziehen. Über 4 Stufen runter und geschafft. Vor dem flachen unterem Abschnitt gilt es dann noch in ein paar hängenden Kurven um Bäumen die richtige Linie zu finden.
Aber natürlich entscheiden nicht nur die Schlüsselstellen das Rennen. Auch bei den vielen anderen Kurven heißt es, konzentriert zu bleiben, um sie flüssig durchfahren zu können.
Nach der Radstudio-Kurve sorgt eine neue Streckenführung zwischen den Baumstümpfen eines frisch gerodeten Waldstücks für interessante Abwechslung im Vergleich zum letzten Jahr.
Die ersten Finalläufe wurden in der Klasse U17 gefahren. David Trummer sorgte hier mit 4:50,66 für eine klare und sensationelle Bestzeit. 32 Sekunden vor dem zweitplatzierten David Pekoll, dem Bruder von Markus Pekoll. Zu beachten gilt, dass die Fahrer der Klasse U17 beim Roadgap und bei der Radstudio-Kurve die Umfahrung nehmen mussten, was sich in längeren Zeiten im Vergleich zu den übrigen Klassen auswirkt.
In der Fun-Class der Damen setzte sich Johanna Moser vor der Seeding-Run-Schnellsten Julia Forstner durch.
Bereits bei der Fun-Class der Herren waren vielen offenen Abschnitte schon fast trocken. Auch hier änderte sich das Ergebnis im Vergleich zum Seeding Run: Benedikt Rieder und Max Schumann verdrängt den Seeding-Run-Schnellsten und Mr. Vertrider Christian "Picco" Piccolruaz auf Platz 3.
Bei den Junioren holte sich Manuel Gruber mit einer Zeit von 4:23.17 den Sieg. Fünf Sekunden zurück lag Leopold Köllner. Den dritten Platz holte sich der Belgier Thibaut Debrabandere.
In der Masters Kategorie sicherte sich der in Innsbruck lebende Deutsche Gordon Nagalla den Sieg mit einer Zeit von 4:39,68. Der Zweitplatzierte Willi Hofer holte sich als bestplatzierter Österreicher den Staatsmeistertitel in der Masters-Kategorie vor Georg Vit und Peter Deppner.
Bei den Damen konnte Petra Bernhard ihre Vormachtstellung bei den Damen im Downhill mit einer Zeit von 4:59,90 eindrucksvoll untermauern. Helene Fruhwirth wird Zweite, Elke Rabeder Dritte.
Leider konnten bei den Damen, Junioren und in der Kategorie U17 keine Staatsmeistertiteln vergeben werden, weil zu wenige Starter waren. Das schlechte Wetter, bzw. die schlechten Vorhersagen hielten vermutlich viele von einer Teilnahme ab. Besonders schade ist das auch deshalb, da Petra Bernhard mit Top-10 Ergebnissen im Weltcup jedenfalls eine würdige Staatsmeisterin wäre. Auch Manuel Gruber zeigt mit Platz 10 unter den Junioren bei der Downhill WM seine Klasse auf.
Als letztes absolvierten die Elite Herren ihre Finalläufe. Bei der Staatsmeisterschaft 2009 in Leogang konnte sich Boris Tetzlaff knapp vor Markus Pekoll den Staatsmeistertitel sichern. Nach den hervorragenden Ergebnissen im Weltcup erwartete man von Markus Pekoll fast den Staatsmeisterschaftstitel. Beim Seeding Run wurde er seiner Favoritenstellung mit über 11 Sekunden Vorsprung auf Lokalmatador Benni Purner auch eindrucksvoll gerecht. Boris Tetzlaff war noch weiter zurück, hatte allerdings zwei Stürze.
Im Finale war somit Boris Tetzlaff als erster der Top 3 im Ziel und legte mit 3:55,63 eine sensationelle Zeit vor. Über 15 Sekunden schneller als Markus Pekolls Bestzeit beim Seeding Run! Benni Purner, der durch eine Schulterverletzung gehandicaped war, konnte die Zeit nicht gefährden und war mit 4:01,87 vorläufig Zweiter.
Danach wurde es extrem spannend. Viele erwarteten, dass Pekoll die Zeit von Tetzlaff nochmals um ein paar Sekunden unterbieten könnte. Aber die Uhr lief und bei 3:50 war im Ziel noch immer nicht's zu sehen von Markus Pekoll. Aber knapp danach bog er in die letzte Kurve, Zeilsprung und überquerte die Zielllinie in 3:55,40 und somit um 23 Hunderstel Sekunden schneller als Boris Tetzlaff. Pekoll's Brillenband war hinten von Helm nach unten gerutscht. Später im Interview erklärte er, dass er Bekanntschaft mit einem Baum gemacht hatte. Auf seiner Webseite
markuspekoll.com schreibt er, dass er bereits oben ein Missgeschick hatte und dann im unteren Wald gegen einen Baum (mit Matte) krachte, wodurch der Helm und vorallem die Brille verrutscht waren.
Ich war heuer das erste Mal beim Nordkette-Downhill dabei. Wenn man sich die Strecke ein paar mal ansieht, kommt man auch als durchschnittlicher Fun-Class-Fahrer gut zurecht. Vorallem im Trockenem oder fast Trockenem. Am Wochenende waren aber häufig schwierige Verhältnisse, wie sie auf Strecken mit natürlichem Untergrund immer auftreten, wenn es nach dem Regnen zum Auftrocknen beginnt und der Dreck das Profil der Reifen zuklebt. Als weniger guter Fahrer oder als "Schönwetter-Bikepark-Fahrer" ist man dann gezwungen auch mit diesen Verhältnissen zurecht zu kommen. Das bringt einem definitiv weiter. Man bekommt wieder mehr Gefühl für's Bike. Die Stimmung im Fahrerlager war trotz dem Wetter gut und nachdem am Sonntag die Sonne rauskam und die Strecke deutlich schneller wurde, war klar, dass das eine würdige Staatsmeisterschaftsstrecke ist.
Wirklich beeindruckend für ein Österreichisches Downhill-Rennen war die Zuschauermenge am Sonntag. Schon beim Vormittags-Training waren viele interessierte Zuschauer auf die Nordkette gekommen. Auch als durchschnittlicher Fun-Class Fahrer wurde ich angefeuert und motiviert. Und das nicht nur im unteren Bereich, sonderen entlang der ganzen Strecke - hauptsächlich ab dem Roadgap. Bei einheimischen Bikern oder bei den Allerschnellsten ist da auf der ganzen Strecke sicher die Hölle los gewesen.
Der Veranstalter Trailsolutions hat sich auch mächtig ins Zeug gelegt, damit die Veranstaltung ein Erfolg wird. Im Zielbereich wurde nicht nur die Zeit des letzten Fahrers, sondern auf einer weiteren Tafel die Zeiten der aktuellen Klasse angezeigt. Die Endergebnisse wurden nach jeder Klasse sofort im Zielbereich ausgehängt. Der professionelle Sprecher sorgte für Stimmung bei den Zuschauern. Mit Live-Einstiegen von einem "Außenreporter" direkt auf der Strecke waren die Zuschauer immer mitten im Geschehen. Der Sprecher wurde sogar bis zum Start hinauf übertragen.
Wir hoffen, dass es 2011 wieder einen Nordkette-Downhill geben wird. Und das hoffentlich auch beim Training mit etwas besserem Wetter. Die österreichischen Staatsmeisterschaften 2011 werden am 25. und 26. Juni am Semmering stattfinden.
nordkette-downhill.at
Ergebnislisten Nordketten Downhill 2010
Nordkette Downhill 2010 - Foto-Thread
markuspekoll.com
boristetzlaff.com
Petra Bernhard
Helene Fruhwirth
Manuel Gruber
Foto: Kevin Kontschieder
Kommentare
Super
Ergiebiger als jeder denkbare Artikel eines sogenannten "Journalisten"...!Vielen, vielen Dank für diese Schilderungen - besonders die "Hintergrundinfos" bzgl. der Streckencharakteristik und - z. B. - den Mißgeschicken der einzelnen Fahrer/-innen, aber auch den Details zur Aufbau- und Ablauforganisation!
MERCI!!
Hier der Bericht von ORF Tirol:
tvthek.orf.at/programs/70023-...alsbrecherisch