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Donnerstag, 24. März 2011

Ron Perkelino testet das Commençal Supreme DH V3 in Spanien

Im Dienste der Menschheit: Ron Perkelino testet das Commençal Supreme DH V3 in Spanien.

Der Landungsapplaus der ATV-Saturday-Night-Fever-Klientel im überfüllten Niki-Bomber nach Barcelona riss mich jäh aus einem gnädigen Schlaf. In einem Flugzeug, in dem an allem gespart wird außer an schlechten Manieren überlebst du nur im Standby-Mode. (Überflüssig zu sagen, dass einstellige Stundenanzeigen am Vormittag ja generell nicht im Wachzustand konsumiert werden sollen). Die Stewardessen, gekleidet in Abfallprodukte der Zuckerlpapier-Industrie und tiefe Soli-Bräune, entließen mich in einen kühlen Barcelona-Morgen. Gepäck, war da nicht noch Gepäck? Richtig, das 80-Liter-Großgebinde musste noch wo sein, darin die komplette Downhill-Montur.

Ohne guten Grund hätte ich mir den Wecker um 5 ohnehin nicht angetan. Ich aber hatte den besten Grund, den man haben konnte: Commençal hatte zum Test des Supreme DH V3 gebeten, den Nachfolger jenes Bikes, das Gee Atherton im Vorjahr den Gesamtweltcup um 0,14 Sekunden hatte gewinnen lassen. 0,14 Sekunden: Das ist kein Vorsprung, auf dem man sich ausruhen kann. Das verstehe sogar ich. Meine Expertise war also gefragt, und man hilft doch gerne, wenn wer darum fragt. Nicht dass sich die Jungs aus Andorra am Ende in der Farbwahl vergriffen haben oder schlimmer noch, in der Form der Sattelklemme!

Aurélien the Man lud mich eine Stunde später im Norden der Stadt auf einem Berg aus, am Start zu einem Downhill mit Geschichte. Die Misser-Brüder haben ihn gebaut, sie wohnen gleich ums Eck. Als Cédric Gracia einst von Cannondale zu Commençal gewechselt ist, hatten sie die Präsentation hier. Und heute? Steht ein Zelt da, darin Seb, Cédrics ehemaliger Mechaniker, dazu zwei Bikes und ein Kollege aus Spanien. Er lächelt freundlich, so was ist immer verdächtig. Je freundlicher einer ist, desto schneller ist er auch, das habe ich in meinem langen Leben gelernt.

Wir zwei sind tatsächlich die ersten Journalisten, die das neue Supreme DH testen dürfen. Die Germanen, die Italiener, die Amis: Anstellen hinter dem Finnen. Nur Dirt durfte schon früher einen Prototypen testen, bei dem allerdings die Position des Drehpunkts zu weit vorn und zu tief unten war: Zu aggressive Geometrie, von den Athertons (und speziell von Rachel) verworfen, weil zu viel Gewicht auf der Front.

Das Bike hier hingegen ist das echte Ding. Das ist das Bike, mit dem Gee seinen Titel verteidigen wird und Rachel den anderen Mädels den Hintern versohlen.

Das ist die Basis-Version. Das exakte Design der Atherton-Replica muss ich inzwischen noch auf meiner Festplatte verstecken. Aber wenn ihr brav seid, kriegt ihr es in zwei Wochen genau an dieser Stelle serviert. [Galerie]

Alles neu, von A bis Z. Keine Schwinge mit zwei Gelenken, sondern ein Vierstangl-Hinterbau mit Full-Floater-Dämpfer. Warum nicht am Hauptrahmen abgestützt, fragt der neugierige Schreiber, und Nico Menard, der Schöpfer des Supreme DH darauf: Um Stress vom Rahmen zu nehmen. Stress ist nicht gut, vor allem nicht an Teilen, die in meine Hände geraten. Instinktiv warte ich auf die Ansage, dass das neue Bike um XY Tonnen leichter geworden ist als das alte, aber Fehlanzeige: Weil es in der Vergangenheit manchmal Probleme mit der Haltbarkeit gab (ich sehe hier ein paar User geistig nicken), hat man das neue Bike konstruktiv überdimensioniert, mit der Option freilich, später Gewicht einzusparen, und man weiß auch schon wo. Das neue Bike wiegt also gleich viel wie das alte (18,6 Kilo im billigeren Modell mit Kindergarten-Minions, 18,6 in der Atherton Replica mit Männer-Minions). Neu ist freilich der tiefere Schwerpunkt, das tiefere Tretlager, der längere Reach (das ist der Abstand zwischen Tretlager und Oberkante Steuerrohr), der flachere Lenkwinkel und die einfachere Anpassungsmöglichkeit der Geometrie: Mittels Inserts lässt sich der Radstand dreifach verstellen, freilich muss man auch die Bremsscheibe mittels mitgelieferter Inserts extra anpassen: Was willst du sonst machen ohne Horst-Link und mitohne Postmount? Den Steuerwinkel verstellt man jetzt neu innen im integrierten Steuersatz, wobei die Standard-Einstellung um 1° flacher ist als früher. (Traditionalisten kommen also immer noch auf die Winkel des alten Bikes).

Mit Inserts lässt sich der Radstand in drei Längen justieren. Und die Bremsscheibe nicht vergessen! [Galerie]

Ich bin ja in meinem Leben schon von genug Commençal-Fahrern hergebrannt worden. Diesmal würde alles anders sein. Bloß ein klitzekleines Problem galt es vorher noch zu lösen: Statt eines linken und eines rechten Handschuhs hatte ich zwei rechte nach Spanien mitgenommen. Das kann passieren, wenn man Handschuhe wie Socken immer im Zehnerpack kauft, Hauptsache schwarz. Kurz frug ich den MacGyver in mir, der nickte nur kurz: „Umdrehen!“ Ich stülpte also das Innere des einen Rechten nach außen, und schon war er ein Linker. Das mag politisch nicht immer funktionieren, bei einem Dakine Cross X geht es hingegen erstaunlich gut.

Typisch französisches Detail: Innenverlegte Züge wie bei Lapierre. Bloß die Insulaner des Atherton-Clans werden wegen schnelleren Wechsels darauf verzichten müssen: Ihr Mechaniker Stevie hat auf Kabelbinder bestanden. [Galerie]
Weil ich ein bescheidener Mensch bin, darf der Spanier zuerst auf die Atherton-Replica und ich bescheide mich mit dem Einsteigermodell, wohlfeil um 3.799,– Euro. Marzocchi vorn und hinten, bin ich eh schon lang nimmer gefahren. Dazu Formula, ein bissl SLX, ein bissl Alex-Felgen und dann in der Serie-Serie Truvativ statt der kürzlich krachen gegangenen Race Face Teile; Beileid nach Kanada an dieser Stelle. Problem Nummer eins: Es ist ein Medium-Rahmen, Fluch des frühen Termins. Die Large hängen noch im andorranischen Zoll. Schlimmer noch: Im Dämpfer hockt eine 300er-Feder, kein Ersatz weit und breit in Sicht. In den Specialized Demos meines Lebens fahre ich 400er-Federn, seit ich denken kann. Schau ma halt einmal. Und mit einem freundlichen Spanier auf der Atherton-Replica gibt es selbst auf einer neuen Strecke kein Rumeiern.
Was wir hier im Norden nicht so haben: Sandsteinstrecken. Was wir hier schon haben: Regen. Regen auf Sandstein ist grundsätzlich super. Regen auf Wurzeln muss man halt frisch berechnen, aber ich bin eh ein schneller Lerner, wenns Not tut. Dass es mich im ersten Lauf gleich fest auf den Zeiger gehaut hat, hatte aber damit wenig zu tun, sondern mit einer irren Linienwahl an der tiefsten Stelle der ausgewaschenen Strecke: Zuerst setzte das Tretlager auf, dann das linke Pedal, dann die rechte Schulter. Der Spanier lächelte freundlich. Ich sollte mich wohl an tiefe Tretlager und lächelnde Spanier gewöhnen, dachte ich beim Aufsteigen.

Nach ein paar Runs kamen wir auf ein Setup, das trotz der zu weichen Feder einigermaßen funktionierte und die den durchschnittlichen Bikepark-Krieger glücklich machen wird: Ewig komfortabel, unkritisch auf schnellen Passagen, wegen des Zuviel an Sag und des daraus resultierenden flachen Lenkwinkels träge beim Einlenken. Auf jeden Fall ein Bike, mit dem man andrücken kann, dachte ich im Gedanken an den lächelnden Spanier, und gesagt getan, schon war der Patschen fertig. Sie wollten einen Spezialisten. Ich bin ein Spezialist.

Am Nachmittag änderte sich alles. Die Atherton-Replica mit Fox vorn und hinten, Saint, XTR und PRO-Komponenten ist exakt das Bike, das Gee, Rach und ab seinem Comeback beim Worldcup in Fort William auch wieder Dan fahren werden. Dan verdanken wir auch eins der schlausten Dinge am neuen Bike, nämlich ein dreifingergroßes Loch hinter dem Tretlager, wo Dreck und Kärcherwasser abfließen kann. Auch die extrem große Reifenfreiheit hinten wird den Insulanern gefallen.

The Dan-Hole: Das Loch an der tiefsten Stelle des Rahmens, eine Idee von Dan Atherton persönlich. [Galerie]

Das einzige, das an der Atherton-Replica nicht serienmäßig ist, sind die guten Mavic-Felgen und die Maxxis-Reifen. Sonst kann sich auf dem Bock jeder wie ein Echter fühlen. Und weil ich vorher gesagt habe, dass sich alles geändert hat: Obwohl der Rahmen zwischen dem Einsteigerbike und der Atherton-Replica ident ist, fühlt es sich an wie eine andere Welt. Die (tendenziell überdämpften) Fox-Elemente halten selbst bei einer nominell um zwei Nummern zu weichen Feder den Sag im Rahmen, was bedeutet, dass man bei einem Setup landet, das auf kleine Schläge extrem feinfühlig reagiert, und dann ab etwa der Mitte des Federwegs so zu arbeiten beginnt, wie man es von einem Renn-Fahrwerk erwartet. Das ist das Gute am neuen Design: Die Kurve ist sehr homogen, „linear-progressiv“ nennen sie es da oben in Andorra, was heißen will dass man immer gleichviel mehr Druck braucht, um den Bock gleichviel weiter in die Federn zu scheuchen. Wenn man am Dämpfer rumfudelt, sind die Änderungen im Fahrverhalten nachvollzieh- und spürbar. (Menschen mit diversen VPP-Bikes sind an dieser Stelle aufgerufen, hemmungslos zu schluchzen).

Plötzlich passte die Fuhre. Im Vergleich zum Demo saß ich gefühlsmäßig noch etwas passiv hinten drin, aber das war primär wohl eine Sache des Selbstvertrauens. Es war vermutlich die Wahl des Mittagessens (Ich: Fisch. Der Spanier: Hase.), warum ich keine entscheidende Distanz zwischen meine Zeiten auf der Replica und den Spanier-Zeiten auf dem Volks-Supreme legen konnte: Der Kerl hat echt bis zum Schluss gelächelt, als ich meine zwei rechten Handschuhe ausgezogen habe!

Chefdesigner Nico (links), Chefmechaniker Seb (rechts): Schöne Grüße an Christian "Woodman" Schandl von MS Evil Racing: "Stellung halten an der Bar!" [Galerie]

Am Retourweg (selber Trottelflieger, ähnliche ATV-Stewardessen, dazu eine Horde pulmologischer Sonderfälle vor, hinter, links und neben mir) notierte ich drei Dinge für die Nachwelt:

Erstens: Man soll immer das Beste nehmen. Wie auch der Fall des Commençal Supreme DH V3 aufzeigt, ist das der Unterschied zwischen eh super und voll super.
Zweitens: Immer farblich unterschiedliche Handschuhe kaufen!
Drittens: Meinen Freunden und Freundinnen von Alpine-Commençal ausrichten, dass ihre Rahmen morgen in Andorra weggeschickt werden.

Kommentare

Donnerstag, 24. März 2011 23:00
Tyrolens
Posts: 4229
Ist Ron jetzt unter das Händlervolk gegangen?
Donnerstag, 24. März 2011 23:04
nooxAvatar von noox
Posts: 22204
Anthering/Salzburg
Nein, keine Sorge! Verkaufen tut er uns nur Geschichten.
Donnerstag, 24. März 2011 23:24
Tyrolens
Posts: 4229
War nur irritiert wegen seiner Signatur...
Donnerstag, 24. März 2011 23:27
nooxAvatar von noox
Posts: 22204
Anthering/Salzburg
Ja, es kommt was. Aber kein Shop.
Freitag, 25. März 2011 17:31
pAzAvatar von pAz
Posts: 8886
salzburg
super bericht von dem geilen radl!
Samstag, 26. März 2011 17:52
VarikuzelePhimoseAvatar von VarikuzelePhimose
Posts: 1278
Salzburg
Lässiger bericht, freu mich auf mehr vom perkelino.
Weiss man eigentlich schon wann die neuen commencals cirka kommen?
P.S: soli is geil!!!